Beitrag im RathausReport November 2023: Brucker Teilnehmer am Hitler-Putsch

Am 8./9. November 2023 jährte sich der Hitler-Ludendorff-Putsch zum 100. Mal. Auch Einwohner von Fürstenfeldbruck nahmen damals an diesem Putsch teil. Insgesamt 16 Personen, die im Jahr 1923 in Fürstenfeldbruck wohnten, waren Teilnehmer an dem Versuch von Adolf Hitler, die Macht in Bayern und Deutschland an sich zu reißen. Der Putschversuch der Nationalsozialisten am 9.November 1923 in München war der vorläufige Abschluss einer sehr krisenhaften Zeit in Deutschland und vor allem in Bayern. Die Hyperinflation des Jahres 1923, die autoritäre bayerische Staatsregierung unter Gustav Ritter von Kahr, eine auf dem rechten Auge weitgehende blinde Justiz und das Erstarken der frühen NSDAP waren einige Charakteristika der bayerischen Verhältnisse.

Die Vorgeschichte

Hitler nahm im bayerischen Heer am Ersten Weltkrieg teil. Am 7. November 1918 rief Kurt Eisner (USPD) nach einer Friedenskundgebung den Freistaat Bayern aus. Einen Tag später wählte der in der Nacht entstandene „Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat“ Eisner zum Ministerpräsidenten. Die Revolution in Bayern erfasste fast alle Landesteile, der Hauptort blieb jedoch München. Bei den Wahlen zur bayerischen Landesversammlung am 12. Januar 1919 erlitt Eisners USPD eine dramatische Niederlage. Die Bayerische Volkspartei (BVP) erhielt 35 Prozent der Stimmen und wurde die stärkste politische Kraft in Bayern, dicht gefolgt von der SPD, die 33 Prozent der Wählerinnen und Wähler auf sich vereinigen konnte. Am 21. Februar 1919 sollte der neu gewählte Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammentreten, Eisner wollte dort seinen Rücktritt erklären. Auf dem Weg zum Landtag wurde er von dem 21-jährigen Anton Graf Arco von Valley, einem völkisch-nationalistischen Studenten erschossen. In einer handschriftlichen Notiz schrieb Valley vor dem Attentat: „Eisner ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher, er fühlt nicht deutsch, untergräbt jedes vaterländisches Denken und Fühlen, er ist ein Landesverräter.“ Der Beisetzung von Eisner in München folgten über 100.000 Menschen. Hitler gehörte im Frühjahr 1919 einer Propagandaabteilung an, die der Arbeiter- und Soldatenrat in Hitlers Bataillon eingerichtet hatte. Im Frühjahr 1919 etablierte sich auch die Dolchstoßlüge, die die Behauptung enthielt, dass das deutsche Heer im Felde unbesiegt gewesen sei und von der „Heimatfront“ sowie von der Linken erdrosselt worden sei. Vor allem rechte und rechtsextreme Kreise verbreiteten diese Legende, beispielsweise General Erich Ludendorff und der oberbayerische Bezirkspräsident von Kahr. In München folgten auf die Ermordung Eisners mehrere Phasen der Räterepublik, am 7. April 1919 wurde die „Bayerische Räterepublik“ ausgerufen. Der bayerische Ministerpräsident Hoffmann (SPD) bat aus dem Bamberger Regierungs-Exil den Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) um Hilfe. In der zweiten Aprilhälfte marschierten Reichswehr und Freikorps auf München zu. Am 3. Mai 1919 war München in der Hand der Regierungstruppen. Von dem weißen und dem roten Terror blieb im Münchner Bürgertum und in der konservativen bayerischen Landbevölkerung vor allem die „rote Schreckensherrschaft“ der Räterepublik im Bewusstsein präsent. In München bildete sich ein starkes rechtes Milieu mit Einwohnerwehren und anderen bewaffneten nationalistischen Verbänden.

Im Mai 1919 richtete die bayerische Reichswehr in München eine Aufklärungs- und Propagandaabteilung ein, deren zentrale Aufgabe es war, mit Hilfe von V-Leuten die zahlreichen politischen Organisationen und Splitterparteien zu beobachten. Im Zuge ihrer Ausbildung mussten die Angehörigen dieser Abteilung, unter ihnen Hitler, an der Münchner Universität „Rednerkurse“ absolvieren. Im Mai 1919 wurde der Oberlandesgerichtsrat Ernst Pöhner zum neuen Polizeipräsidenten von München ernannt, die Münchner Polizei wurde somit auf einen scharfen Rechtskurs gebracht. Der militärische Stadtkommandant von München wurde zunächst Oberst von Seißer. Im September erhielt Hitler den Auftrag, die Deutsche Arbeiter-Partei (DAP) zu beobachten. Die DAP wurde im Januar 1919 gegründet. Hitler nahm an einer DAP-Versammlung teil, wenig später trat er der Partei bei. München war zu Beginn der 1920er Jahre ein Sammelbecken für rechtsextreme Gruppierungen, von der Thule-Gesellschaft über den Deutsch- Völkischen Schutz- und Trotzbund über die Freikorps und Einwohnerwehren bis hin zur NSDAP. Auch weite Teile der Funktionseliten in Wirtschaft, Staat, Kirche und Militär waren rechts orientiert. Bayern wurde so zur „Ordnungszelle“. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund der Inflation und Hyperinflation sowie die damit verbundenen Folgen für viele Menschen führten ebenso dazu, dass sich vor allem in München ein völkisches Milieu entwickelte, auf dessen Boden dann im November 1923 der Hitler-Ludendorff-Putsch stattfand.

Der Putsch

Am 8. November 1923 fand im Münchner Bürgerbräukeller eine große Versammlung statt, auf der der bayerische Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr eine zukunftsweisende Rde halten sollte. Anwesende waren beispielsweise der Ministerpräsident Eugen von Knilling und mehrere Minister, der Landeskommandant der VI. (bayerischen) Reichswehrdivision, Generalleutnant Otto von Lossow, der Landespolizeichef Oberst Hans Ritter von Seißer, der Kabinettschef des früheren Kronprinzen Rupprecht von Bayern sowie die Spitzen der bayerischen und Münchner Behörden, der Wirtschaft und der vaterländischen Verbände und Vereinigungen.

Insgesamt saßen mehr als 2.000 Menschen im völlig überfüllten Bürgerbräukeller. Kahr herrschte in Bayern mit nahezu diktatorischer Machtfülle, er trieb den Konflikt mit der Berliner Reichsregierung auf die Spitze. Der Titel seiner Rede lautete „Vom Volk zur Nation“. Kahr redete vom Kampf gegen den Marxismus, der der wesentliche Punkt eines Programms für die deutsche Zukunft sein müsse. Während seiner Rede wurde ein Maschinengewehr in den Saal geschoben und durch die Menge drängte sich ein Trupp Bewaffneter, voran Hitler. Er rief in den Saal: „Soeben ist die nationale Revolution ausgebrochen!“ Zudem verkündete Hitler, dass Reichswehr und Landespolizei bereits unter der Hakenkreuzfahne heranrücken würden. Der Parteichef der NSDAP erklärte, dass die bayerische Regierung abgesetzt sei und eine provisorische Reichsregierung gebildet werden würde. Anschließend sprachen in einem Nebenzimmer Hitler, Kahr, Lossow und Seißer mit einigen Begleitern und ein bewaffnetes Kommando führte Knilling sowie die anwesenden Minister aus dem Saal und nahm sie in „Schutzhaft“. Hitler erläuterte den Herren im Nebenzimmer sein Programm, unter ihm werde der ehemalige Münchner Polizeipräsident Erich Pöhner Ministerpräsident mit diktatorischen Vollmachten, die Reichsregierung übernehme er selbst, das Kommando über die nationale Armee übernehme General Erich Ludendorff, Lossow werde Reichswehrminister und Seißer Reichspolizeiminister. Nach dem Eintreffen von Erich Ludendorff schlossen sich Lossow, Seißer, Pöhner und zuletzt Kahr Hitler an. Anschließend verkündeten die Putschisten ihre Entscheidung vor den Menschen im Bürgerbräu. Die Besetzung eines einzigen Wehrkreiskommandos war dann der einzige „militärische Erfolg“ der Putschisten in München. Die Reichsregierung unter Kanzler Gustav Stresemann (DVP) kam in der Nacht mit dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD), mit dem Chef der Heeresleitung, mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (SPD) und dem preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) in der Reichskanzlei zusammen. Reichspräsident Ebert übertrug dem Chef der Heeresleitung General von Seeckt die „vollziehende Gewalt“. In München setzte die Heeresfunkstelle München um 2:50 den Funkspruch ab, dass von Kahr, von Lossow und von Seißer den Putsch ablehnen würden. Hitler und Ludendorff standen zu diesem Zeitpunkt circa 2.500 Bewaffnete zur Verfügung, gegen die Reichswehr und die Landespolizei hatten sie keine Chance. Am Vormittag des 9. November 1923 zogen die Putschisten und ihre Anhänger durch München. Sie sammelten sich vor dem Bürgerbräukeller und marschierten ins Stadtzentrum. Auf der Höhe der Feldherrenhalle versperrte die Landespolizei den Auslass auf den Odeonsplatz. Es entspann sich ein kurzes Feuergefecht zwischen der Polizei und den Putschisten, 18 Menschen wurden tödlich getroffen, vier Polizisten, 13 Putschisten und ein Neugieriger. Hitler gelangte noch am 9. November 1923 in das Haus von „Putzi“ Hanfstaengl in Uffing südlich von München, dort spürte ihn die Polizei am Abend des 11. Novembers auf. Im Landsberger Hochverratsprozess wurde Hitler zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die er nach einem Jahr verlassen durfte.

Brucker Bürger bei dem Putsch

Die Teilnehmer aus Fürstenfeldbruck am Hitler-Ludendorff-Putsch waren: der Kohlenhändler Hans Ertl, der Schreiner Ludwig Imsland, der Buchdruckereibesitzer Otto Wurmdobler, der Schneidermeister Ottmar Imsland, Eugen Meyding, der Buchdrucker Max Wurmdobler, Hans Scheuing, der Metzgermeister Donatus Eibl, der Maurer Anton Wild, Georg Turner, Hermann Rilling, der Verwaltungsassistent Josef Barfuß, Richard Leibrock und Max Kemmerich. Die führenden Köpfe waren Hans Ertl, später Obertruppführer der SA, Ludwig Imsland, Schreiner und später Oberscharführer, Otto Wurmdobler, Buchbindereibesitzer und später Truppführer sowie Max Wurmdobler, Buchdrucker. Ein weiterer Brucker Teilnehmer am Putsch war Notar Feeß. Am 8. November 1933 veröffentlichte das Fürstenfeldbrucker Wochenblatt einen Zeitungsartikel mit der Überschrift: „Vier, die dabei waren… Erinnerungen an den 9. November 1923“. In diesem Artikel in der gleichgeschalteten Lokalpresse schrieb der Journalist, dass 16 Oberländler der 14. Kompanie aus Fürstenfeldbruck am Putsch vor zehn Jahren teilgenommen hatten. Die Zeitung zählte freilich nur 14 Namen auf. Die Putschisten aus Bruck fuhren demzufolge nach München in die Pionierkaserne. Bald danach kam es zu ersten Auseinandersetzungen mit der Reichswehr. Die Angehörigen des Bundes Oberland unter der Führung von Imsland verhandelten mit Major Schönherr von der Reichswehr, er gab die Zusicherung, dass die Reichswehr nicht schießen würde. Die Gruppe zog danach zum Bürgerbräukeller. Die Fürstenfeldbrucker befanden sich auf der Galerie vorne links, ihnen wurde am nächsten Tag ein Gasthaus im Lehel zugewiesen, danach vollzog sich die Aufstellung zum „Marsch auf die Feldherrenhalle“. Leibrock und Kemmerich trugen Hermann Göring, der bei dem Putsch verletzt wurde, aus dem Feuergefecht. Im Jahr 1933 waren noch drei der 15 oder 16 Putschisten bei der SA, Ertl, Otto Wurmdobler und Ludwig Imsland, Ottmar Imsland gehörte dem Fürstenfeldbrucker Stahlhelm an. Direkt bei dem Putsch und seinem Ende vor der Feldherrenhalle waren vier Fürstenfeldbrucker dabei.

Dr. Gerhard Neumeier Stadtarchivar




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